Ein Beitrag von Manuel Pick

Kennst Du das? Du sitzt in einer Besprechung und hast eigentlich den Impuls, was zur besprochenen Situation zu sagen. Du bleibst aber stumm, weil Dir die richtigen Worte nicht einfallen. Du hast eine Frage, weil Du den besprochenen Vorgang nicht richtig verstehst, das Gesagte scheint Dir falsch zu sein, aber Du teilst Deinen Eindruck vorsichtshalber nicht, weil Du Dich unsicher fühlst? Ganz generell erlebst Du, dass Du nach Besprechungen weniger Energie hast als davor?

 

Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass Du verunsichert bist. Und vielleicht – zumindest, wenn Dir das häufiger passiert und Du Dich in Besprechungen deutlich anders fühlst, als in Deinem sonstigen (Arbeits-)leben – könnte es sein, dass die Fehlerkultur in Eurer Organisation reflektionswürdig ist. Zugegeben, das ist ein vergleichsweise leises Zeichen. Denn davor kommen deutlichere und lautere und unangenehmere. Du wirst für Fehler oder für vermeintliche Fehler offen und hart vor Kolleg:innen oder Vorgesetzten kritisiert, wirst runtergemacht. Die Kritik an Deiner Arbeit ist unsachlich, Deine Defizite stehen in der Zusammenarbeit im Mittelpunkt, Dein Führungsmensch sucht und findet Dinge, die er, die sie Dir genüsslich aufs Brot schmiert… Egal in welcher Form Dir eine schwierige Fehlerkultur begegnet (und damit meinen wir nicht, dass es nicht ab und an ganz berechtigt kritische Rückmeldung zu Deinem Verhalten oder Deinen Ergebnissen geben kann und wird) – es lohnt sich, genau diesen Punkt in den Blick zu nehmen.

Eine schlechte Fehlerkultur hindert Deinen Zugriff auf Deine intrinsische Motivation. Sie veranlagt Angst und hemmt.

Und das gleiche gilt für alle Kolleginnen und Kollegen. Dein Unternehmen kann aus ethischen und ökonomischen Gründen eine solche Fehlerkultur nicht dulden. Wenn Du mehr Zeit und Energie dafür aufwendest, den Rücken freizuhalten, Dein Verhalten abzusichern, Vorgänge zu dokumentieren, um im Notfall ein einwandfreies Verhalten nachweisen zu können, dann machst Du vieles, aber sicher nicht produktiv und lustvoll an Deiner Aufgabe arbeiten. In Deine Dir eigene Kraft wirst Du nur kommen, wenn Du frei denken und agieren kannst, wenn Du mutig sein kannst und wenn Du keine Sorge hast, dass Deine Idee zur Sache von vorneherein erst mal auf mögliche Haare in der Suppe durchleuchtet wird. Auch hier gilt: eine kritisch-konstruktive Prüfung ist eine Selbstverständlichkeit. Aber Zugriff auf Deine Kreativität wirst Du behalten, wenn auch spontane Einfälle erst mal herzlich begrüßt werden. In der Freiheit entstehen, und das unterschätzen die meisten Führungsmenschen und priorisieren Starrheit und Formalismus, die wichtigsten Wertschöpfungsimpulse.

Sicherheit und Vertrauen sind die Grundlage für kraftvolles und erfolgreiches Wirtschaften. Das gilt für jeden und jede einzelne in der Organisation, vom Empfang, der Produktionerin über die ITlerin, den Vertriebler, die Produktentwicklung und die Geschäftsführung. Das gilt für Führungsmenschen und für Fachexpert:innen. Und trotzdem haben die meisten Unternehmen im Laufe ihrer Jahre eine zumindest fragwürdige, meist aber schlicht gruselige Fehlerkultur ausgeprägt.

Genau diese Fehlerkultur ist im Kern von Kultur oft bis tief in den Alltag wirksam. Sie generiert Fluktuation. Menschen, die sich verstellen müssen, weil sie schlicht Sorge oder Angst haben, gewöhnen sich Vermeidungsstrategien an, um brenzlige Situationen zu umgehen. Im Laufe der Zeit entwickeln sie Schonhaltungen, die mit ihrem eigentlichen Wollen und Sein nur noch wenig zu tun haben, den Alltag aber absichern. Und wie das mit Schonhaltungen so ist: Auf Dauer kosten Schonhaltungen die eigene Haltung. Wir glauben, damit durchzukommen, uns zu verbiegen. Aber das ist ein Trugschluss und am Ende kostet uns die ungesunde Anpassungsleistung etwas, oder besser, sie kostet viel.

Die Arbeit an der Fehlerkultur im Team oder im Unternehmen kann und wird sich unbedingt lohnen. Es geht auch und vor allen Dingen um eine ökonomische Frage und Fehlstellung, wenn es um Fehlerkultur geht. Denn es geht in erster Linie nicht um Vermeidung von Schmerzen, sondern darum, aktiv dafür zu sorgen, dass ihr kraftvoll, dauerhaft und freudvoll Eure Arbeit in das größere gemeinsame Projekt einbringen könnt und dabei gesund bleibt, Energie aus Eurer eigenen Wirksamkeit spürt und wisst, dass Ihr mit Euren Fähigkeiten ein geschätzter Teil eines größeren Projekts seid. Dann, und nur dann, hat Arbeit die Möglichkeit, Spaß zu machen.

Was also tun, wenn die Organisation ein Problem im Umgang mit Fehlern hat? Und was ist überhaupt bei Euch im Unternehmen ein Fehler?

Was sind Fehler?

Bestenfalls sind Fehler nichts anderes als Lernanlässe. Wenn etwas nicht gelingt, oder eine Entscheidung sich im Nachhinein als untauglich erwiesen hat, dann lohnt es nicht, die Entscheidung zu kritisieren. Entscheidungen sind per se nicht richtig oder falsch. Es lohnt sich zu schauen: Was hat dazu geführt, dass Ihr die Entscheidung so oder so getroffen habt? Was war ursächlich? Hätte es andere Anzeichen gegeben? Was wären die Alternativen gewesen? Wie könnt ihr jetzt mit der Situation weiter verfahren? Wie ist die Wirkung des Fehlers tatsächlich? Was ist daraus zu lernen, was zu verlernen?

Fehler passieren. Es geht nicht in erster Linie um die Vermeidung von Fehlern, es geht um den Umgang mit ihren Ergebnissen und mit dem Fehler selber. Die selben Fehler nicht zu widerholen, das ist schlau. Auch, um Platz für Neue zu machen. Die Frage ist: Was kannst Du und was kann Deine Organisation lernen? Was kann und muss sie/Du verlernen? Und selbst, wenn der Fehler in einer Fahrlässigkeit Deinerseits besteht, ist die Frage, und zwar die einzige Frage: Was brauchst Du, was muss passieren, damit genau solche oder ähnliche Situationen in Zukunft anders ablaufen?

Fehler sind Reflektions- und Lernanlässe. Sie sollen und dürfen nicht einfach unter den Teppich gekehrt werden. Sie sollen herzlich empfangen, angeschaut, thematisiert und am Ende bestenfalls leicht genommen und mit Humor verarbeitet werden (oder auch nicht, denn manchmal sind ihre Auswirkungen einfach gravierend und dann darf auch Ärger und Trauer und Wut und Frust mal sein, aber dabei darf es nicht bleiben), selbst wenn sie auch schmerzhaft sind. Wichtig ist: Sie sind da, also macht was mit ihnen, macht was Positives aus ihnen. Das ist das Ziel einer veränderten Fehlerkultur: Sicherheit und Vertrauen, die die Grundlage für unternehmerische Freiheit für jeden und jede einzelne bedeuten.

Wenn Ihr bisher wenig Bewusstsein zum Thema Fehlerkultur habt, dann kann es helfen, sich erst mal außerhalb des schnöden Alltags ans Thema ranzurobben.

 

  • Speak Up Culture

Die Dinge benennen können ist der erste, notwendige Schritt in die Aktion. Such Dir Menschen und Führungsmenschen in Deinem Unternehmen, mit denen Du zum Thema Fehlerkultur sprechen kannst und schlage die Freiraum-Idee als Laborversuch auf Zeit (bestenfalls erstmal ein Jahr) vor.

  • Initiative und Planung

Wenn möglich, skizziere allein, oder zusammen mit Kolleginnen und Kollegen Eure individuelle Idee zum Versuchs-Freiraum. Fertigt eine Liste an, wer bestenfalls dabei sein sollte. Definiert grob, wie viel Zeit die Arbeit in Anspruch nehmen wird und welche Kosten damit verbunden sind. Schlagt Orte vor, an denen Ihr Euch treffen und arbeiten könnt und – meist für Führungsmenschen wichtig – findet eine Aufgabe (das kann die Bearbeitung der Fehlerkultur selber oder eine strategische Unternehmensfrage sein), die ihr zu Beginn bearbeiten wollt. Definiert einen Rhythmus und eine Laufzeit, mit der Ihr in die Versuchsphase gehen wollt. Und bestenfalls richtet Ihr einen Kanal ein, auf dem die Entscheiderin/der Entscheider dauerhaft informiert und konsultiert werden kann. Wenn es eine erkennbare Skizze vom Freiraum gibt, platziert die Idee bei einem geeigneten Entscheider/Entscheiderin.

  • Verantwortung

Sinnvollerweise zeigt sich ein Mensch für den Freiraum verantwortlich, einer für dessen Umsetzung. Soll heißen: Es braucht jemanden, der den Raum aufmacht, gestaltet und hält, einen Facilitator. Der kann wechseln, aber eine klare Verantwortungsdelegation ist wichtig, um den Freiraum auch in Zeiten ohne klare Anforderung lebendig zu halten.

  • Start

Macht es nicht zu kompliziert. Wenn die Skizze steht und es ein klares OK zur Einrichtung eines Freiraumes gibt, dann legt los und verlasst Euch darauf, dass in dem Fall der Weg auch beim Gehen entsteht. Es empfiehlt sich, dass ihr immer mal wieder evaluiert, was gerade auf dem Weg passiert, ob es mit dem Sinn der Freiräume korrespondiert, wie ihr vorankommt, wie ihr wirksam seid und werdet, welche Learnings gibt es für die Gesamtorganisation. Und verlasst Euch darauf, dass alleine die Tatsache, dass sich ein kleiner Kreis der Mitarbeitenden in geschütztem Raum anders verhalten kann und dieses andere Verhalten erproben darf, eine positive Wirkung auf die gesamte Organisation haben wird, auch, wenn keine konkreten Ergebnisse aus dem Freiraum für die Gesamtorganisation abgeleitet werden. Kann das passieren, so ist die Wirksamkeit natürlich noch mal deutlich stärker.

Freiräume als institutionelle Antwort auf entwicklungsbedürftige Fehlerkulturen

Eine spannende und wichtige Voraussetzung für Veränderung ist das Erkennen und Benennen von Mustern. Daraus abgeleitet braucht es Ideen für alternatives Handeln und die Möglichkeit, diese alternativen Handlungspraktiken zu durchdenken und – wichtiger noch – sie einzuüben, um (vor allem in Stress-Situationen) auf eingeübte Halbautomatismen zurückgreifen zu können, die ein Rückfall in bestehende Muster erschweren oder bestenfalls verhindern. Worum geht es dabei? Aktiv mit Fehlern umzugehen, aus ihnen zu lernen und sie bestenfalls in der Zukunft zu vermeiden. Nicht, weil Fehlerfreiheit das Ziel sein kann, aber weil es schlau ist, nicht die gleichen Fehler zu wiederholen und um Platz für neue zu machen. Soll heißen: Es braucht eine Fehlerkultur, die Fehler toleriert, sie anerkennt und sie konsequent zum Entwicklungsanlass nutzt.

Scheint in einer Organisation ein Kulturwandel hin zu einer solchen, einer besseren Fehlerkultur noch unscharf und nicht ausreichend ausgeprägt und entschieden genug organisiert, dann können Freiräume helfen, den Blick auf die bestehende Fehlerkultur zu öffnen und das Feld und die Notwendigkeit kulturellen Wandels und der Potenziale weiter auszuleuchten und sich außerhalb des Alltags an Analyse und an Alternativen heranzuwagen.

 

Unternehmen schaffen (organisational) Freiräume:

Unternehmen entscheiden sich bewusst, um Wandel und Entwicklung kulturell zu befördern, Kompetenzen in Change auszubauen und in der Organisation zu verankern. Dabei helfen Freiräume im Alltag (Zeit, Raum, Menschen, Atmosphäre), in denen der Auftrag besteht, aktiv und freudig zu spinnen. Die Absicherung des Raumes, die Abkoppelung von der bestehenden kulturellen Funktionslogik der Organisation, entsteht aus der Zusicherung, dass die Ergebnisse der Kreativspinnerei nicht und zu keinem Zeitpunkt (negativ) bewertet werden.

Die Freiräume werden unter einem neuen Betriebssystem gedacht. Ein Betriebssystem, das vom klassischen bestehenden und meist im Kern erfolgreichen Betriebssystem entkoppelt funktioniert. Die Mitspinnerinnen haben in der Spinnerei eine neue, vom Alltag unabhängige Rolle, sind Teil eines neuen Betriebssystems im alten Betriebssystem, das unabhängig läuft. Die Spinnerei wird mit kokreativen Methoden begleitet (Design Thinking, Brain-Stroming, Gedankenkopfstand, Tetralemma, etc.) und Techniken anwenden, die Offenheit für verschiedenste Typen von Menschen ermöglichen.

Prinzip der Freiwilligkeit oder der Verpflichtung?

Die Werkstatt/der Freiraum braucht einen klaren Auftrag: Dieser verweist nicht auf ein konkretes und spezifisches Ergebnis, sondern darauf, frei zu denken und entsprechende Techniken anzuwenden und zu lernen und sich dazu Unterstützung zu holen. Dazu ist es wichtig, den Raum für die Spinnerei gut zu konstruieren, ihn zu halten und ihn vor konventionellen Interventionen aus dem klassischen Betriebssystem zu schützen. In der Spinnerei darf freudvoll und lustvoll gesponnen werden und alle Beteiligten sind zu jedem Zeitpunkt (psychologisch) sicher. Freiräume werden immer wieder reflektiert. Sollten Freiräume ausgebeutet (zur Erledigung von Arbeitsaufgaben aus dem Alltag, zur Erledigung von Führungsaufgaben) oder umgenutzt und korrumpiert werden, dann braucht es hierzu zeitnah eine Korrektur, um die Funktionsfähigkeit der Freiräume zu erhalten und als Unternehmen die Learnings auszuschöpfen. 

 

Was sind Freiräume?

Freiräume sind bereitgestellte und institutionalisierte Gelegenheiten, außerhalb des bestehenden Betriebssystems zu sein, zu denken und zu spinnen. Sie widmen sich einem Thema, in unserem Fall der Fehlerkultur. Ein klarer übergeordneter Arbeitsauftrag strukturiert die Arbeit und richtet sie aus.

Mögliche Fragestellungen:

  • Was macht unsere Fehlerkultur heute aus?
  • An welchen Stellen ist das ungut/ verursacht das Schäden?
  • Wie sollte die Fehlerkultur bestenfalls in unserem Unternehmen/ Bereich aussehen?
  • Wie würde Arbeit unter neuer Fehlerkultur aussehen?
  • Was wären die Vorteile fürs Unternehmen/ Team, was die Vorteile für mich?

Sie bieten Platz, sich des Themas auf verschiedenste (möglichst unkonventionelle) Arten anzunähern und anzunehmen, es von allen Seiten zu beleuchten. Es geht darum, Sichtweisen zu erzeugen, die im Normalbetrieb nicht zutage treten können (oder wenn, dann nur sehr zufällig).

Freiräume werden von Entscheiderinnen und Entscheidern eingerichtet. Das ist insofern wichtig, als sie einen machtvollen Sponsor brauchen. Freiräume neigen zur Instabilität und vertragen jede Absicherung, die sie bekommen können. Der Entscheider/ die Entscheiderin richtet den Raum entweder auf eigenes oder auf Betreiben von Mitarbeitenden oder Kollegen ein. Die Ausgestaltung, der Betrieb, kann und sollte an Team-Mitarbeitende delegiert werden.

Freiräume werden, unabhängig von konkreten Anlässen immer genutzt, um sich das Thema Fehlerkultur aktiv vorzunehmen. Es gibt keinen Grund sie ausfallen zu lassen. Jeder Freiraum hat eine eigene (rollierende) Moderation, die darauf achtet, dass der Raum aktiv bespielt wird und das Themen, die aus den vorherigen Freiräumen stammen, aufgegriffen und weiterbearbeitet werden. Die Moderation ist verantwortlich für die Sinnhaftigkeit der Durchführung des jeweiligen Freiraumes.

1. Gute Rahmenbedingungen:

Freiräume finden regelmäßig, bestenfalls im Abstand von maximal vier Wochen statt. Sie finden außerhalb des Unternehmens, wenn das nicht möglich ist, an unerwarteten Orten innerhalb des Unternehmens (z. B. in der Produktion) statt. Irritation und Entkopplung vom Normal können bereits in den organisatorischen Rahmensetzungen verankert werden.

Es ist für Arbeitsmaterialien, Essen und Trinken, einen passenden Teilnehmerkreis (siehe unten) gesorgt. Der Freiraum wird hierarchiefrei betrieben, also die Hierarchien bleiben bestehen, werden in dem Rahmen aber neutral gestellt. Da, wo das nicht möglich ist oder die Reife der Mitarbeitenden eine zeitweise Neutralisierung nicht erlaubt, wird die Hierarchie aktiv und vorrübergehend aufgelöst. Bei Rückkehr ins angestammte Betriebssystem werden die Hierarchien – wo nötig und gewollt – wieder eingesetzt. Das verlangt von den Beteiligten (Führenden und Geführten) ein gewisses Maß an Achtsamkeit und Reife, ist aber gleichzeitig eine wunderbare Übung für alle Beteiligten, sich an neue Anforderungsprofile aus geänderten Organisationsstrukturen zu gewöhnen. Alle Beteiligten denken und suchen innerhalb des Freiraumes gemeinschaftlich nach der bestehenden und perspektivisch nach der angestrebten Fehlerkultur, die Führende und Geführte gleichermaßen betrifft, eben weil sie unterschiedslos Unternehmenskultur ist, die keine Ausnahmen macht. Damit liegt die Bearbeitung und Weiterentwicklung der Fehlerkultur im Interesse von Führendem und Geführten.

Die konkrete Arbeitssituation im Freiraum sollte auf Dialog und Austausch ausgerichtet sein. Störungen und Unterbrechungen werden vermieden.

2. Teilnehmende:

Weil es um die Annäherung an das Thema Fehlerkultur geht und die ein Teil der Unternehmenskultur ist, empfiehlt es sich, das Unternehmen (oder die relevanten Teile) gut und breit abzubilden, also interdisziplinär und interfunktional einzuladen. Fehlerkultur wirkt (s.o.) unterschiedslos. Zwar zeigt sich Fehlerkultur an verschiedenen Stellen des Unternehmens anders als an anderen, aber betreffen tut sie dennoch alle Menschen der Organisation.

3. Ressourcen:

Ohne geplante Zurverfügungstellung der notwendigen Ressourcen (Menschen, Arbeitszeit, (überschaubares) Budget, Räumlichkeiten und dem intrinsischen Willen der Führungsebene) werden keine stabilen Freiräume entstehen. Im Wesentlichen bedürfen sie, wie jede kraftvolle Management-Entscheidung, des klaren Willens der Leitungsebene und eines sauber geführten Prozesses. Der größte Teil der Ressourcen sind die investierten Arbeitsstunden. Diese lassen sich ökonomisch zur gewonnenen Change-Kompetenz ins Verhältnis setzen. Die richtige Arbeitskleidung für den Betrieb von Freiräumen sind die hochgekrempelten Ärmel. Einfach mutig machen! Schaden kann aus der Einrichtung von Freiräumen kaum entstehen.

4. Gute Orte:

Wer etwas aus dem Bestehenden auskoppeln will, der tut sich einen großen Gefallen, das gleich auch physisch zu machen und neue Kultur außerhalb des gewohnten zu entwickeln. Also möglichst wenig Beeinflussung aus dem Alt-System, dem abzulösenden System. Gute Orte sind eine einfache und wichtige Zutat beim Bereiten von Freiräumen. Wir kennen alle die Überlegung, ob sich der Aufwand lohnt, nicht die angestammten Ressourcen (Besprechungsräume) zu nutzen. Die Antwort ist ein klares ja: Ungewohnte Orte, Orte mit anderer Atmosphäre und aus anderen Zusammenhängen sind ein Kreativitätsquell. Freiräume können die bestehenden Orte umnutzen (ein Ort im Lager, in der Produktion, in der Betriebskantine, draußen auf dem Betriebsgelände (die Natur kann unglaubliches beitragen), im angrenzenden Wald, im Nachbarbeitrieb, etc.).

5. Zeit:

Ohne Zeit, ohne Sperrschicht vor dem Alltag, werden sich Freiräume schwer etablieren und definitiv nicht ihr volles Potenzial entfalten. Es geht nicht darum, Freizeit zu organisieren, sondern darum, den Raum zu schaffen, innerhalb dessen sich überlebenswichtige neue Kompetenzen ausbilden können. Es geht um den Raum, die kulturelle Zukunftsfähigkeit herzustellen, die Unternehmen brauchen, um im Wettbewerb, der im Wesentlichen ein Anpassungswettbewerb werden wird, bestehen zu können.

6. Wissen und Können:

Freiräume können ohne jede Vorbildung gestartet werden. Erst mal sind nur Lust und Mut und Neugierde nötig. Gibt es im Unternehmen jemanden, der Kreativtechniken und Moderation beherrscht, dann empfiehlt es sich, diese Ressourcen zu nutzen. Der Start in Freiräume, das Verlernen des alten Betriebssystems auf Zeit ist anspruchsvoll und jede Unterstützung, die die Spinnerei bekommen kann, sollte gesetzt werden. Dauerhaft ist es sinnvoll, die benötigten Change-Kompetenzen schrittweise durch Schulungen oder externe Impulse auf- und auszubauen.

7. Aufgaben:

Das stärkste Führungsinstrument ist eine starke Herausforderung, eine Aufgabe. Die Freiräume eignen sich nicht (anders als zum Beispiel eine Produktentwicklung) zur Erreichung festgelegter Ziele (entwickelt bitte die neue Version des Produktes x), sondern freiere Aufgabenstellungen. Diese aber helfen, den Erfolg der Freiräume zu befördern.